
"Ein gutes Bild zeichnet sich dadurch aus, dass der Betrachter ihm noch etwas hinzufügt.
Ein bereits ganz ausformuliertes macht keinen Sinn mehr. Deshalb ist es entscheidend, dass man sich als Maler zurücknimmt und irgendwo, also genau da aufhört, wo noch etwas unformuliert bleibt. Genau an dem Punkt kommt der Hang zur Reduzierung ins Spiel.
Diese Komponente wird bei der Malerei immer wichtiger. Die Dauer der Aufmerksamkeit gegenüber einem Bild im Museum beträgt ja nur fünfzehn Sekunden. Deshalb ist es nötig, ein Bild bis auf den Punkt zu reduzieren, wo es noch oder nicht mehr fassbar ist. Denn genau da befragt der Betrachter das Bild."
(Luc Tuymans)
Die Unterscheidung zwischen diskursiven Symbolik (Sprache und Schrift) und der präsentativen Symbolik ( Bildern, Film und anderen Ausdrucksformen) geht auf Susanne K. Langers „Philosophy in a New Key“ zurück.
Visuelle Formen – Linien, Farben, Proportionen usw. – sind danach ebenso der Artikulation, d.h. der komplexen Kombination fähig wie Wörter. Aber die Gesetze, die diese Art von Artikulationen regieren, sind von denen der Syntax, die die Sprache regieren, grundverschieden.
Der radikalste Unterschied ist der, dass visuelle Formen nicht diskursiv sind. In Symboliken wie der Sprache oder der logischen Notationen besteht keine interne Verbindung zwischen der sinnlichen Realisierung und ihrer Bedeutung.
Die Elemente der präsentativen Symboliken (Bilder, Rituale, Tanz, Kunstwerke) haben dagegen keine feststehenden Eigenbedeutungen.
Es gibt kein Vokabular von Bildelementen: ein schwunghafter Bogen, der in dem einen Bild eine Welle bedeutet, bedeutet in einem anderen Bild vielleicht ein Blatt. Was der Bogen im Einzelfall bedeutet, hängt von seiner Situiertheit im Gesamtzusammenhang aller anderen Formelemente ab. Er hat keine davon unabhängige Bedeutung. Weil die Artikulation nicht auf konventionellen Bedeutungen basiert, ist sie von dem sinnlichen Material, in dem sie realisiert ist, nicht ablösbar. Deshalb kann es keine Definition der Elemente geben. Selbst die Identifikation einzelner Elemente ist unmöglich.
Präsentative Symboliken bieten ihre Bestandteile nicht nacheinander, sondern gleichzeitig dar, weshalb die Beziehungen, die eine visuelle Struktur bestimmen, in einem zusammenhängenden Akt des Sehens erfasst werden. Bilder sind also keine linearen diskursiven Symbole, sondern simultane präsentative – und diese präsentativen Symbole sind besonders geeignet für den Ausdruck von Ideen, die sich der sprachlichen Darstellung widersetzen.
Bilder und Filme sind konkreter als abstrakte Worte, sie vermitteln räumliche Perspektiven, sie sind unmittelbarer und emotionaler, und sie sind in ihrer Bedeutung offener.